Heute stellen wir Ihnen die private Großtagespflegestelle „Seesternchen“ vor, in der die Kindertagespflegepersonen Melanie Becker und Thomas Trenz ein warmes und gemütliches Nest für die Jüngsten geschaffen haben. Die „Seesternchen“ findet man in angemieteten Räumen in der Caritas Klinik Saarbrücken am Rastpfuhl.
Seit wann seid ihr tätig und wie seit ihr zur Kindertagespflege gekommen?
Melanie: Ich hatte 1999 begonnen als Kinderfrau in Familien zu arbeiten. Vorher war ich in der Ausbildung zur Erzieherin, die ich nicht abgeschlossen hatte. Damals bot das Jugendamt ein Seminar im Rahmen von zwei Wochenenden an, um als Kinderfrau tätig zu werden. Die Arbeit machte mir viel Freude, zugleich wollte ich mich nach einigen Jahren gerne noch weiterbilden. So bekam ich 2009 die Möglichkeit, die Fortbildung zur „Fachkraft für betriebsnahe Kinderbetreuung“ bei SOS Kinderdorf zu machen. Diese lief über ein halbes Jahr immer am Vormittag, so dass ich nachmittags weiterhin als Kinderfrau arbeiten konnte. Das war eine tolle Kombination für mich, denn so konnte ich direkt alles, was ich lernte, auch in der praktischen Arbeit anwenden. In die Fortbildung war auch ein Praktikum integriert. Ich hatte immer eine Woche Schule, dann eine Woche Praktikum. Das absolvierte ich bei einer Tagesmutter in Saarbrücken im Stadtteil Rotenbühl, mit der ich mich sehr gut verstand und die bald auch zur Freundin wurde.
Kurze Zeit nach dem erfolgreichen Abschluss der Fortbildung ging ich mit meiner Praktikumsanleiterin und den Tageskindern spazieren. Wir liefen vom Rotenbühl in Richtung Innenstadt. In der Martin-Luther-Straße entdeckten wir das Büro der damaligen „Kinderbetreuungsbörse“. Spontan schlug meine Freundin vor, einfach zusammen mit den Kindern dort reinzuschauen. Wir wurden freundlich empfangen und tauschten uns mit den dortigen Mitarbeiterinnen aus. Diese berichteten von einem neuen Projekt. Gegenüber des Mutter-Kind-Hauses in Burbach sollte eine der ersten Großtagespflegestellen entstehen. Ziel war es, die Kinder aus dem Mutter-Kind-Haus in einer geschützten Umgebung zu betreuen und sie auf den Kindergarten vorzubereiten. Die Mitarbeiterin der Betreuungsbörse fragte uns: „Warum macht ihr beide denn nicht diese Großtagespflegestelle auf? Wäre das nicht etwas für euch?“.
Und so machten wir uns 2009 gemeinsam mit unserer ersten Großtagespflegestelle selbstständig. Zwei Jahre betreuten wir die Kinder aus dem Mutter-Kind-Heim, bis uns leider 2011 die Räume wegen Eigenbedarfs gekündigt wurden. Zum Glück hatten wir kurz vorher eine sehr engagierte Mitarbeiterin der Caritas Mitarbeitervertretung kennen gelernt, die auf unsere Arbeit aufmerksam geworden war. Diese bot uns einen Standortwechsel in die Caritas Klinik an. Dankbar ergriffen wir die Chance und zogen um. Meine Freundin hatte inzwischen andere berufliche Wege eingeschlagen und so arbeitete ich bis Ende 2014 mit insgesamt zwei verschiedenen anderen Kolleginnen zusammen. Leider hatten wir etwas unterschiedliche Vorstellungen von der Arbeit und es lief im Alltag nicht so, dass wir beide zufrieden waren. Ich entschied mich daher ab 2014, alleine zu arbeiten und keine neuen Versuche mehr zu starten. Und da beginnt Thomas Geschichte.
Thomas: Ich bin gelernter Blumen- und Zierpflanzengärtner und habe 24 Jahre in dem Job gearbeitet. 2015 hatte ich einen schweren Bandscheibenvorfall, der eine längere Krankheitsphase mit sich zog. Es wurde klar, dass ich mit dieser Erkrankung nicht mehr in meinem Job zurückkann, denn ich sollte künftig nur noch maximal 15 Kilo tragen. Ich musste mich neu orientieren. In der Wartezeit bis zur Reha fiel mir die Decke auf den Kopf. So besuchte ich öfter meine Lebenspartnerin Melanie in ihrer Kindertagespflegestelle. Ich hatte vorher noch nicht mit Kleinkindern zu tun gehabt und beobachtete Melanie mit den Kindern sehr gerne. Bald kamen auch die Kinder auf mich zu und ich begann, ihnen vorzulesen und mich mit ihnen zu beschäftigen. Ich frage Melanie, ob das nicht vielleicht eine Möglichkeit für mich sein könnte. Sie ermutigte mich – schließlich seien ihre Kinder leichter als 15 Kilo.
Melanie: Vom Gärtner zum Kindergärtner? Ja!
Thomas: Während der Reha beschäftigte ich mich weiter mit diesem Plan und erkundigte mich nach einer Förderung durch das Arbeitsamt sowie nach Kursen. Beim Arbeitsamt hatte man mir abgeraten, aber ich blieb dran. 2016 begann eine Qualifizierung zur Kindertagespflegeperson beim bfw, an der ich im Anschluss an die Reha teilnahm. Und seit dem 5. September 2016 bin ich nun als Tagesvater tätig und arbeite hier in der Großtagespflegestelle.
Wie viele Kinder betreut ihr?
Melanie: Derzeit haben wir sieben Kinder, es finden jetzt neue Eingewöhnungen für die restlichen Plätze statt.
Was schätzt ihr an eurer Tätigkeit?
Melanie: Ich kann den Tagesablauf frei einteilen, es gibt keine vorgegebene und starre Taktung. Wir machen z.B. den Morgenkreis oder den Spaziergang, wie es gerade zu den Bedürfnissen der Kinder passt. Natürlich gibt es Rituale und immer z.B. um etwa die gleiche Zeit Mittagessen, aber es muss nicht auf die Minute sein. Gerade beim Schlafen kann ich sehr individuell auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen. Wenn manche schon sehr früh müde sind, können sie am Vormittag beim Spaziergang im Kinderwagen schlafen, andere schlafen später, manche Kinder schlafen gerne mit ihrem Kuscheltier im Kinderbett, andere brauchen mehr Einschlafbegleitung und schlafen auf meinem Arm oder Schoß ein. Ich kann auf jedes Kind so eingehen, wie es das braucht.
Thomas: Ich kann sehr vieles selbst entscheiden, das konnte ich in meinem früheren Job nicht. Ich kann mich frei entfalten, ich bin sehr gerne kreativ mit den Kindern. Wenn wir z.B. gemeinsam basteln, spielen oder Bücher lesen, dann schaue ich auf die Kinder: Was interessiert sie gerade? Mit welchen Themen sind sie beschäftigt? Je nachdem suche ich die Bücher aus. Ich lese gerne mit vielen Geräuschen vor, es gibt Gewitter, viele Tierstimmen, ich baue das gerne ein und mache es spannend.
Was ist schwierig an eurer Tätigkeit, was sind Nachteile?
Thomas: Herausfordernd ist es, wenn manche Eltern sich nicht an unsere Regeln halten. Wenn ein Kind zum Beispiel morgens zehn Kuscheltiere dabeihat anstatt eines wie besprochen. Oder wenn es kleine Metallhaarspangen trägt, die es tagsüber verliert und wo dann Verschluckungsgefahr für andere besteht. Oder wenn ich einen Schokoriegel im Kinderrucksack finde. Wir wollen dem Kind dann weder seine neun Kuscheltiere noch den Schokoriegel wegnehmen, gerade morgens in der Übergabesituation. Wir müssen dann für das Kind so sanft wie möglich schauen, wie wir nach und nach die neun Kuscheltiere wieder wegverstauen. Oder ich schaue routinemäßig morgens schnell den Kinderrucksack durch, und wenn doch ein Schokoriegel drin ist, lege ich ihn weg, bevor das Kind ihn findet.
Melanie: Schwierig kann es auch sein, wenn Kinder krank sind und die Eltern solchen Druck durch den Arbeitgeber haben, dass sie ihr Kind krank bringen. Wir wissen, wie stressig das für die Eltern ist, aber ein krankes Kind muss sich zu Hause erholen und gehört nicht in die Kindertagespflege. Leider hatten wir auch schon mal die Situation, dass einer von uns krank wir und wir fünf Tageskindern daher kurzfristig absagen mussten. Ein Elternteil hatte gar kein Verständnis dafür. Das sind dann keine einfachen Situationen.
Aus der Sicht der Tageskinder: Was erlebt ein Kind bei Ihnen?
Melanie: Vor allem Wärme, Nähe und Beziehung. Die Kinder können hier ganz in Ruhe ankommen, sie haben Zeit, in ihrem Tempo zu spielen, zu essen und zu schlafen. Sie saugen ganz viel Ruhe auf, denn hier gibt es keinen Zeitdruck und keine Termine. Es entstehen teilweise sehr enge Bindungen, die auch in der anschließenden Kita- und Schulzeit bestehen bleiben. Die Kinder senden z.B. Sprachnachrichten: „Darf ich dich bald besuchen? Ich hab dich lieb!“ Selbstverständlich kennen wir die Grenzen, denn wir sind die Tageseltern, nicht die Eltern.
Thomas: Die Kinder lernen hier auch viel. Wenn wir z.B. mit Tieren spielen, dann lernen sie ganz nebenbei wo die Tiere leben. Im Wald oder in der Steppe? Oder vielleicht im Meer? Ich denke mir viel aus und lese z.B. Bücher so vor oder wähle Musik und Tanzlieder so aus, wie es gerade den Interessen der Kinder entspricht. Die Kinder dürfen hier viel selbst machen. Mir ist es wichtig, dass sie sich alleine an- und ausziehen, wenn sie es können, oder dass sie mit den Tisch decken und wieder abräumen.
Aus Sicht der Eltern: Warum ist mein Kind gut bei euch aufgehoben?
Melanie: Wir nehmen uns immer Zeit für Austausch und Gespräche mit den Eltern. Die Eingewöhnung läuft langsam ab, es gibt keinen Zwang, dass etwas schnell funktionieren muss. Die Eltern erzählen uns auch viel Privates, teilweise sind über die Jahre hinweg auch Freundschaften entstanden.
Gibt es ein besonderes Erlebnis, das ihr gerne teilen wollt?
Thomas: Es ist immer besonders schön, wenn Kinder, die bereits in der Kita sind, uns besuchen kommen. Sie rufen vorher an und wir vereinbaren Termine. Letztens wurden wir zu einem vierten Geburtstag eingeladen. Mein ehemaliges Tageskind wollte nur neben mir sitzen. Ein anderes Kind, das sich in der Kita noch nicht so wohl fühlte, schickte uns eine Sprachnachricht „Ich möchte gerne wieder ein Seesternchen sein“. Eine Familie schenkte mir zum Abschied des Kindes ein selbstgemachtes Buch. Darin hatte sie über die gesamte Betreuungszeit hinweg alle großen und kleinen Geschichten gesammelt, die ich ihr bei Tür- und Angelgesprächen beim Abholen erzählte. Die Familie hatte diese zu Hause anscheinend immer aufgeschrieben und ich bekam sie jetzt mit Fotos versehen als Buch geschenkt.
Melanie: Ich hatte ein Mädchen betreut, mit dessen Mutter ich mich sehr gut verstand. Als sie zum zweiten Mal schwanger war, waren wir zusammen einkaufen. Beim Kaffee trinken gab sie mir einen Brief. Darin stand „Hallo, ich bin das Baby. Ich weiß noch nicht, was ich werde, aber willst du meine Patin sein?“. Das hat mich sehr berührt und nun bin ich die Patin des inzwischen jungen Mannes.
Eure Traumkindertagespflege in zehn Jahren: Was hat sich verändert?
Melanie: Wir haben ein eigenes Haus auf dem Land mit Garten. Im Erdgeschoss ist die Kindertagespflegestelle, oben wohnen wir. In der Nähe gibt es einen Bauernhof, den wir besuchen können.
Was macht eure Kindertagespflegestelle einzigartig?
Melanie: Hier ist es sehr friedlich und entspannt. Wir haben immer einen angenehmen Umgangston. Klar kann es auch mal stressig werden, aber uns ist beiden wichtig, alles im Guten zu lösen und Ruhe zu bewahren. Unsere Kindertagespflege ist ein warmer und kuscheliger Ort für die Kinder. Eltern sagen: „Es ist so schön muckelig und bunt bei euch“.
Thomas: Unsere Arbeit ist unser zweites Zuhause. Wir gehen jeden Morgen gerne hin. Es ist nicht so, dass wir das Gefühl haben, arbeiten zu gehen, sondern wir gehen in unser anderes Zuhause.
Hier können Sie den Flyer der Kindertagespflegestelle Seesternchen als Datei herunterladen.
Interview und Foto: Julia Afgan