Natia Herrig ist seit fünf Jahren als Kindertagespflegeperson tätig. Sie lebt mit ihrem Ehemann und Tochter Mia (8 Jahre) im Eigenheim in Püttlingen. Hier betreut sie ihre fünf Tageskinder, die zwischen einem und drei Jahre alt sind.
Während des Interviews springt die Turnerin Mia durch das Wohnzimmer, schlägt Rad und macht Handstand. Sie hört aufmerksam zu und beschließt, unser Interview um die Perspektive der erfahrenen Tagesschwester zu bereichern.
Wie kamen Sie auf die Idee, diese Tätigkeit auszuüben?
Natia: Ich wollte eigentlich Erzieherin werden. Im zweiten Ausbildungsjahr wurde ich schwanger und stellte es mir zunächst einfach vor, die Ausbildung mit einem eigenen Kind weiterzumachen. In der Realität war das nicht umsetzbar. Ich hatte zwar eine Betreuung, aber Mia machte viele Infekte durch, meine Fehlzeiten stiegen zu hoch an. So brach ich die Ausbildung ab. Bei der Suche nach einer Alternative stieß ich auf die Möglichkeit der Kindertagespflege. Die Idee, meinen eigentlichen Wunsch der Arbeit mit Kindern umzusetzen, und das in meinem eigenen familiären Umfeld, gefiel mir sehr. So machte ich die Qualifizierung mit und habe diese Entscheidung bisher keine Minute bereut. Wenn ich die Ausbildung als Erzieherin fertiggemacht hätte, wäre ich jetzt trotzdem in der Kindertagespflege tätig.
Mia, wie geht es dir mit den Tageskindern?
Mia: Das fühlt sich so an, als hätte ich fünf Geschwister.
Natia: Ja, das sagst du auch im Kindergarten und in der Schule so. Das ist dann lustig, wenn alle denken, wir haben sechs Kinder.
Mia: Ich helfe den Kindern beim Essen oder beim Anziehen, wenn wir nach draußen gehen, z.B. mit den Schuhen. Manche Kinder kommen auch in mein Zimmer, sie wollen da immer hinein. Aber das dürfen sie nicht oder nur gucken, weil ich kleine Sachen wie Legos habe, die sie nicht haben dürfen.
Was schätzen Sie an Ihrer Tätigkeit, was sind die Vorteile?
Natia: Ich treffe meine Entscheidungen selbst und arbeite nach meinem eigenen Konzept. Es ist so schön, dabei keinen Druck zu haben. Es geht bei uns sehr familiär zu. Aktuell habe ich z.B. drei Kinder, die erst ein Jahr alt sind. Sie schlafen noch zu ganz unterschiedlichen Zeiten und meist auch früher als die beiden älteren Kinder. Ich kann jedes Kind individuell schlafen legen, so wie es das braucht. Die ersten Lebensjahre sind so wichtig. Ich schätze es, dass ich die Kinder in genau dieser Zeit begleiten kann. Sie machen bei mir viele wichtige erste Erfahrungen, sie lernen laufen, malen, kneten u.v.m. Ich kann sie dabei intensiv begleiten und bin nicht an vorgegebene feste Abläufe gebunden.
Was ist schwierig, was sind Nachteile?
Natia: Aktuell kaum etwas. Am Anfang der Tätigkeit musste ich lernen, wie ich den Kontakt mit den Eltern gestalte. Schließlich kommen sie schon beim ersten Kennenlernen direkt in unseren privaten Haushalt hinein. Da die Eltern mir ihr Kind anvertrauen, schauen sie sich natürlich alles sehr genau an. Ich bin inzwischen selbstsicherer geworden. Ich gebe den Eltern viel Verständnis und bekomme das auch zurück. Die Eltern müssen zufrieden sein, damit die Betreuung des Kindes funktioniert. Was ich zu Beginn auch lernen musste, war der Umgang mit der Bürokratie, z.B. die Vertragsgestaltung und alles, was dazugehört. Da mein Mann auch selbstständig ist, hatte er da bereits Erfahrung und hat mich gut unterstützt.
Mia: Eine Sache macht mich traurig, das ist, wenn die Kinder wieder weggehen. Manche sehe ich dann nicht mehr. Das ist gar nicht schön. Andere sehe ich aber später noch, wenn sie kleine Geschwister haben, die auch zu uns kommen.
Aus der Sicht Ihrer Tageskinder: Was erlebt ein Kind bei Ihnen?
Mia: Ganz schön viel! Die Kinder bauen und sie fahren gerne mit den Rutschautos. Im Sommer war einmal draußen die Straße gesperrt. Da konnten wir auf der ganzen Straße mit den Autos fahren bis in unsere Einfahrt hinein. Wir gehen auch oft auf den Spielplatz. Die Kinder malen hier und basteln. Im Winter backen wir Plätzchen. Ich mache nachmittags, wenn die Kinder geschlafen haben, immer eine Lese- und eine Sportstunde mit ihnen. Zuerst setze ich mich in die Sofaecke und die Kinder sitzen rechts und links von mir. Ich lese ihnen dann Bücher vor. Danach gibt es Sport. Ich mache Übungen vor und die Kinder machen sie nach.
Aus der Sicht der Eltern: Warum ist mein Kind bei Ihnen gut aufgehoben?
Natia: Ich weiß als Mutter, wie wichtig es ist, dass es dem eigenen Kind gut geht. Hier ist es sehr familiär und ich begleite die Kinder intensiv. Sie krabbeln hier auf allen Vieren hinein und gehen zwei Jahre später mit eigenen Schritten wieder heraus.
Gibt es ein besonderes Erlebnis, das Sie gerne mit uns teilen möchten?
Mia: Was mich am glücklichsten macht, ist immer, wenn ein neues Kind kommt.
Natia: Ein Kind kam bereits mit sieben Monaten und blieb, bis es dreieinhalb Jahre war. Das war eine besonders schöne Erfahrung.
Mia: Die Weihnachtszeit ist cool hier, da backen wir Plätzchen, und Fasching auch, da verkleiden wir uns und feiern. Einmal kam der Nikolaus. Ein Kind hatte Angst. Der Nikolaus hat hier bei uns im Wohnzimmer gesessen und nacheinander jedem Kind ein Geschenk gegeben. Ich habe aus der Küche Plätzchen geholt und jedem Kind eines gegeben, damit es das dem Nikolaus geben konnte.
Ihre Traumkindertagespflege in 10 Jahren: Was hat sich verändert? Wie sieht diese aus?
Mia: Die Wände hätten andere Farben! Und unser Haus wäre größer.
Natia: Mein Traum wäre es, in zehn Jahren nicht mehr in meinen privaten Räumen zu betreuen, sondern separate Räume anzumieten. So hätte ich mehr Platz und könnte alles komplett kleinkindgerecht einrichten, von der Garderobe über den Essplatz bis hin zum Schlafraum. Derzeit wechsele ich oft die Spielangebote aus, um den Platz gut auszunutzen. Es wäre schön, wenn ich mehrere Sachen parallel aufgebaut stehen lassen könnte.
Mia: Ich möchte auch Tagesmutter werden genau wie meine Mutter. Wenn ich aus der Schule komme und die Kinder hier sehe, wird mir immer direkt klar, dass ich sie jetzt in den Arm nehmen muss, weil ich sie so sehr mag.
Interview und Foto: Julia Afgan